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Toni Schönfelder
A lifetime of innovation

Im blauen Dunst der Mafia

EU verklagt Zigaretten-Konzern Reynolds wegen Geldwäsche



Ein neuer Krimi ist auf dem Markt. 145 Seiten aus dem Schattenreich der Heroinschmuggler, Mafiabosse und Geldwäscher. Doch diesmal spielen die üblichen Verdächtigen nur Nebenrollen. Im Zentrum dieser spannenden Erzählung aus der Welt des organisierten Verbrechens steht die etablierte Geschäftswelt in Nadelstreifen. Genauer: Der amerikanische Zigarettenhersteller R. J. Reynolds. Autor des Krimis ist die EU- Kommission.

Der Konzern produziert so bekannte Marken wie Winston oder Camel. Aber in dem Krimi ist kein Platz für den friedlich paffenden Globetrotter mit dem löchrigen Turnschuh. Stattdessen wird dem Tabak-Multi das Image eines globalen Schurken verpasst, der im wirtschaftlichen Untergrund mit dem kolumbianischen Kokain-Kartell und der russischen Heroin-Mafia gemeinsame Sache macht. R. J. Reynolds muss sich mit dem massiven Vorwurf auseinander setzen, seit Jahren einen erheblichen Teil seiner Milliarden-Geschäfte mit Hilfe von Verbrecherbanden abzuwickeln: „Reynolds verkauft seine Zigaretten an Kriminelle, akzeptiert dafür Gelder aus verbrecherischen Geschäften und trifft Arrangements für die verdeckte Bezahlung“. Reynolds steigere auf diese Weise seinen Umsatz. Die Kriminellen wiederum könnten schmutziges Geld durch Zigarettenhandel waschen.

Was wie eine Räuberpistole klingt, ist der Kern einer realen, mit Dutzenden von Beispielen gespickten Klageschrift. Seit Donnerstag liegt sie unter dem Aktenzeichen 02-CV-5771 bei einem New Yorker Bezirksgericht und kann im Internet von jedermann

eingesehen werden (www.nyed.uscourts.gov). Die EU- Kommission und zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter auch Deutschland, haben die juristische Attacke auf den Weg gebracht. Sie erlauben ihren Anwälten dabei ein Vokabular, das keinerlei Rücksicht mehr nimmt: „Abstoßend“, „heimtückisch“ und „rücksichtslos“ beteilige sich die Firma R. J. Reynolds an der Geldwäsche. Sie schädige damit nicht nur die Wirtschaftssysteme in Europa und den USA, sondern bedrohe auch die „nationale Sicherheit“.

Als Kontakthof für die legale Geschäftswelt und die organisierte Kriminalität haben die EU-Ermittler auch die Schweiz ausgemacht. Fern vom Zugriff amerikanischer oder europäischer Behörden habe die Firma Reynolds in dieser juristischen Oase den Papieranteil der schmutzigen Geschäfte abgewickelt. Schweizer Firmen, die als Geldwäsche-Anlagen bekannt seien, hätten darüber hinaus Gelder aus Mafia-Geschäften eingesammelt und im Gegenzug Zigarettenware von Reynolds an Kriminelle transferiert.

R.J. Reynolds nennt die Vorwürfe „total absurd“. Die Ermittler der Kommission dagegen sagen: „Unsere Beweise sind wasserdicht.“ Nun müsste endlich ein Gericht die unglaublichen Vorwürfe prüfen. Bisher hat sich jedoch sowohl die amerikanische Justiz als auch die amerikanische Politik nicht sonderlich dafür interessiert, was amerikanische Unternehmen weltweit treiben. Der Vorstoß der EU ist bereits der dritte Versuch, amerikanische Zigarettenmultis vor Gericht zu bringen. Diesmal könnte es klappen. Ein kleines Kapitel der Klageschrift ist nämlich auch dem amerikanischen Staatsfeind Nr. 1, dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein, gewidmet. Seine Familie soll von illegalen Zigarettenexporten in den Irak profitieren.

Süddeutsche Zeitung 2 nov 2002
Cornelia Bolesch

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