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Toni Schönfelder A lifetime of innovation



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Toni Schönfelder
A lifetime of innovation

 
 
Ich bin mal wieder kurz vor dem Explodieren. Seelenruhig berichtet mir meine Hauptbuchhalterin zwischen Geldeingängen und Währungskursen, dass die Steuerinspektion (dt.: Betriebsstättenfinanzamt) unsere Bankkonten gesperrt habe.  
 
Schon vor einer Woche oder so, und dass sie jetzt los müsse, bevor wir in Schwierigkeiten kommen. Erklärungen habe sie erstmal keine, aber formal hätten die Steuerwächter wissen lassen, dass eine Umsatzsteuererklärung nicht fristgerecht eingereicht worden sei, was bei unserer Gewissenhaftigkeit in Steuerdingen eigentlich nicht sein konnte.  
 
Es ist der zweite Fall in kurzer Zeit. Erst vor wenigen Monaten war es unsere Bank, die uns darauf hinwies, dass die Steuerinspektion jeden Geldverkehr auf unseren Geschäftskonten eingefroren habe. Ein Beamter hatte eine astronomische Steuerschuld ermittelt und darauf hin die Kontensperrung veranlasst. Ein Fehler des Beamten, wie sich alsbald einvernehmlich heraus stellte. Indes kein Anruf, kein Schreiben, gleich Konto dicht! Der ganze personifizierte Zynismus des Systems: Uns doch egal ob die ihre Löhne überweisen können.  
 
So auch dieses Mal. Dass wir kein Einzelfall sind, wie mir unsere Anwälte versichern, und dass der Rechtsweg so lang wie aussichtslos sei, will mich nicht wirklich ruhig stellen. Erst der Besuchsbericht der Buchhalterin gibt einigermassen Klarheit.  
 
Alle unsere Umsatzsteuererklärungen seien form- und fristgerecht eingegangen, sei ihr nach zweieinhalb Stunden Warten auf dem Amt beschieden worden, wo sie sich in einer aufgebrachten Menge von Firmenvertretern wiedergefunden habe, die alle ebenfalls per Kontensperrung zur Vorsprache genötigt worden waren. Aber mit unserem Firmensitz stimme etwas nicht, und das sei der eigentliche Grund der Kontensperrung. Auf die Einleitung einer Zwangsliquidierung habe man verzichtet, weil in dem Bereich zuletzt so viele Prozesse verloren worden seien. Aha, Kontensperre gilt demnach als nicht anfechtbar.  
 
Es ist gängige Praxis in Russland, dass etwa eine OOO (dt.: GmbH) unter einer Adresse ins Handelsregister eingetragen ist (juristische Anschrift) und unter einer anderen Adresse residiert (faktische Anschrift). Das hat vor allem damit zu tun, dass nicht jeder Büro-Vermieter mit der Nutzung seiner Büro-Anschrift als juristische Anschrift einverstanden ist. Daraus entwickelte sich ein Dienstleistungsgeschäft: Gegen Bares konnte und kann man sich eine juristische Anschrift kaufen. Zuständig war dann natürlich die Steuerinspektion, in deren Bezirk sich diese juristische Anschrift befand, obwohl die Firma ihre Tätigkeit in einer ganz anderen Gegend ausübte. Seit neuestem gibt es eine Regelung, nach der die Trennung in juristische und faktische Anschrift nicht mehr zulässig ist. Will heißen, jeder Firmenumzug zieht automatisch eine Satzungsänderung nach sich. Klingt logisch, ist aber selten praktikabel.  
 
Wenn es Ihnen gelingt, heute in Moskau ein passendes Büro zu akzeptablen Konditionen zu finden, wird man Ihnen in den allermeisten Fällen einen Mietvertrag über elf Monate mit entsprechender Verlängerungsoption zur Unterschrift vorlegen. Grund: Mietverträge ab zwölf Monaten Laufzeit unterliegen einer kostenpflichtigen staatlichen Registrierung. Die damit verbundenen Behördengänge wollen viele Vermieter aus irgendwie verständlichen Gründen umgehen. Der Mieter wiederum wird angesichts dieser rechtlichen Unsicherheit - nicht immer kann er die Verlängerungsoption realisieren - natürlich seinen Firmensitz nicht auf dieses Elf-Monats-Büro umregistrieren. Und bleibt trotz Umzugs bei seiner alten Steuerinspektion.  
 
Diese sieht das solange locker, wie sie gegen die Firma per saldo stets eine Steuerforderung hat. Schlecht für die Statistik sind allerdings Steuerzahler wie wir, die wegen hoher steuerwirksamer Aufwendungen permanent einen Vorsteuererstattungsanspruch haben. An dem Punkt endet die fiskale Lockerheit. Da wird gewühlt und geprüft, bis man etwas findet. Und sei es die Formalie Firmensitz. Kontensperrung erweist sich als bewährter Prozesskatalysator. Uns wurde eine Garantiererklärung abgenötigt, dass wir kurzfristig den Firmensitz ummelden und zu der dann zuständigen Steuerinspektion wechseln. Was aber, wenn die auch nur ungern Vorsteuer erstattet?  
 
Uwe-Jens Karl arbeitet seit 1996 für westliche Firmen in Moskau.  
 
 

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