Wie «grün» ist die Papierindustrie?
Ein internationaler Vergleich der Bank Sarasin
rg. Die Papierindustrie hat mancherorts einen eher schlechten Ruf. Der
Branche wird von Umweltschutzorganisationen oft vorgeworfen, sie belaste die
Umwelt - Wasser und Luft - in gravierender Weise und füge den Wäldern durch
Übernutzung schweren Schaden zu; man denke etwa an das in der Tat
bedenkliche Abholzen ganzer Waldstriche in gewissen subtropischen und
tropischen Ländern. Aber es wäre falsch, die Forst- und Papierwirtschaft
aller Regionen dieser Welt über einen Leisten schlagen zu wollen. Zumindest
in den westlichen Industriestaaten dürfte das Umweltverhalten der
(Gross-)Konzerne besser sein als gemeinhin angenommen. Eine detaillierte
Studie1 der Bank Sarasin zur Frage, welche der heute führenden Forst- und
Papierkonzerne dem Ideal der Nachhaltigkeit am nächsten kommen, bestätigt
diese Einschätzung.
Vorbildliche Skandinavier
In die Analyse aufgenommen wurden Unternehmen, die, erstens, einen
nennenswerten Umfang eigenen Waldes besitzen, deren Titel, zweitens, an der
Börse kotiert sind, die, drittens, eine «brauchbare» Umweltberichterstattung
vorlegen und die, viertens schliesslich, in geographischen Regionen
beheimatet sind, wo - mit Ausnahme Brasiliens - die Umweltschutzstandards
ein gewisses Niveau erreicht haben. Auf Grund dieses «Rasters» wurden
schliesslich folgende zwölf Konzerne unter die Lupe genommen: die beiden
US-Unternehmen International Paper und Weyerhaeuser, die kanadische Gruppe
Abitibi- Consolidated, die brasilianische Aracruz, die vier schwedischen
Papierhersteller SCA, AssiDomän, Holmen und Korsnäs, die drei finnischen
Konzerne Metsä-Serla, Stora Enso und UPM-Kymmene sowie die norwegische
Norske Skog.
Um das Resultat gleich vorweg zu nehmen: Mit Blick auf die
Umweltverträglichkeit ihrer Aktivitäten schneiden die Unternehmen in
Skandinavien am besten ab, wobei tendenziell schwedische Konzerne besser
abschneiden als norwegische und finnische. Die Nordamerikaner hinken sowohl
bezüglich der Qualität ihrer Umweltberichterstattung als auch hinsichtlich
der ökologischen Kennzahlen - noch - hinterher. Die Resultate der
Nachhaltigkeits-Analyse zeigen mit anderen Worten ein klares geographisches
Muster, und zwar auch unter Einbezug der sozialen Dimension in das von den
Berichtsautoren entwickelte Analyse- Konzept. Nach Firmen geordnet sieht die
Rangliste nämlich wie folgt aus: Das Prädikat «überdurchschnittlich
nachhaltig» erhalten vier Unternehmen (AssiDomän, Holmen, SCA, Stora Enso);
sechs Unternehmen wurden als «durchschnittlich nachhaltig» (Aracruz,
Korsnäs, Metsä- Serla, UPM-Kymmene, Weyerhaeuser) und zwei Firmen als
«unterdurchschnittlich nachhaltig» qualifiziert (Abitibi-Consolidated,
International Paper).
Markant verbesserte Öko-Effizienz
Die Forst- und Papierwirtschaft ist und bleibt natürlich - es liegt in der
Natur der Sache - eine ressourcenintensive und umweltbelastende Branche.
Aber bezüglich der Öko-Effizienz, bei der es darum geht, eine bestimmte
Leistung mit kleinstmöglichem Ressourcenverbrauch und tiefer Umweltbelastung
zu erbringen, haben die vertikal integrierten Forst- und Papierkonzerne in
jüngerer Vergangenheit grosse Fortschritte gemacht. Wie die Berichtsautoren
schreiben, konnten die Emissionen aus der Zellstoff- und Papierproduktion
gegenüber dem Stand von vor zehn Jahren um teilweise mehr als 90% reduziert
werden. Zudem würden sich mittlerweile die meisten Unternehmen in der
vorgelagerten Forstwirtschaft und bei der Holzbeschaffung zu einer
nachhaltigen Waldbewirtschaftung (man holt nur so viel Holz aus dem Wald,
wie auch wieder nachwächst) verpflichten, heisst es weiter. Ganz
offensichtlich hat die Branche die Bedeutung der Umwelt als strategische
Komponente ihrer Geschäftstätigkeit erkannt. Nicht von ungefähr haben alle
zwölf von der Bank Sarasin analysierten Grosskonzerne eine Umweltpolitik
formuliert und diese auch veröffentlicht.
1 Christoph Butz und Catrina Vaterlaus: Wie nachhaltig sind die Erfinder der
Nachhaltigkeit? Eine Übersicht über die Forst- und Papierindustrie. Bank
Sarasin, Juli 2000.
Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2000