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24 Maj 1997 Autor: Bernd Greiner Der amerikanische Freund 1947 startete George Marshall sein Aufbauprogramm für Europa - größer als dessen ökonomische Bedeutung war die psychologische Wirkung Was heutzutage als selbstverständlich wahrgenommen wird, gehört bei Lichte betrachtet zu den erstaunlichsten Leistungen der Nachkriegszeit: die politische, wirtschaftliche und kulturelle Westbindung der Bundesrepublik. Viele Zeitgenossen hatten in den 50er Jahren noch daran gezweifelt. Und mit guten Gründen, wenn man sich die antiamerikanisch aufgeladene Kulturkritik jener Tage vor Augen hält. Daß das deutschtümelnde, für Nationalismus anfällige und mit einem "Sonderweg" zwischen Ost und West liebäugelnde Potential in seinen Schranken gehalten werden konnte, hat - wenn auch nicht ausschließlich, so doch zu großen Teilen - seinen Grund im Wirtschaftlichen. Seit die ersten GIs das Land betreten und in kaum zu erwartender Freizügigkeit Schokolade, Zigaretten, Kaffee und anderes buchstäblich unters Volk geworfen hatten, keimte Hoffnung unter den Deutschen. Vielleicht würde man mit amerikanischer Hilfe doch noch einmal davonkommen. Die Bitte nach Unterstützung wurde teils unterwürfig, teils fordernd vorgetragen und von manchen auch in dem Bewußtsein, daß den Amerikanern am Ende gar nichts anderes übrigblieb. Im Herbst 1946 hatte der damalige Außenminister James F. Byrnes die Hoffnung zur Gewißheit werden lassen. In seiner als legendär geltenden Rede im Stuttgarter Opernhaus versicherte er, daß die Tage der Reformer in der Militärregierung gezählt seien und man ihrem Bemühen um eine radikale Entflechtung oder gar Stillegung jener Industrien, die das wirtschaftliche Rückgrat der deutschen Kriegsmaschine gebildet hatten, alsbald ein Ende bereiten werde. George Marshall, der den bei Präsident Truman in Ungnade gefallenen Byrnes kurze Zeit später als Außenminister ablöste, griff den von seinem Vorgänger gespielten Ball auf. Zwar war er noch durch die Richtlinien des Potsdamer Abkommens gebunden, in Sonderheit durch die Reparationsforderungen, wie sie scheinbar kompromißlos von Briten, Franzosen und Russen vertreten wurden. Andererseits nutzte Marshall seit dem Frühjahr 1947 jede Gelegenheit, um seine westlichen Verbündeten zu einer Wende zu überreden. Daß im März 1947 die Moskauer Außenministerkonferenz in einem Fiasko endete und auch Optimisten an einer künftigen Kooperation mit den Russen zu zweifeln begannen, war ein Argument zu Marshalls Gunsten. Noch mehr aber drängte die katastrophale wirtschaftliche Lage in Europa zum Handeln. Genialer Schachzug? Am 5. Juni 1947 schließlich verkündete Marshall vor den Absolventen der Universität Harvard ein bis dato beispielloses Hilfsprogramm gegen "Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos Jede Unterstützung, die dieses Land in Zukunft vergeben sollte, sollte nicht bloß lindern, sondern zur Heilung führen". Der Außenminister hatte nicht zuviel versprochen: Die USA schütteten in den kommenden vier Jahren knapp zwei Prozent ihres Nationaleinkommens oder 13 Milliarden Dollar an 16 europäische Staaten aus. Wie sich alsbald herausstellen sollte, war ein gutes Viertel dieser Gelder zur Verwendung in Deutschland bestimmt, um die "Lokomotive der europäischen Wirtschaft" wieder unter Dampf zu setzen. Mit Blick auf die heutige "Aufbauhilfe Ost" stellt der Marshall-Plan kein historisch einmaliges Unternehmen mehr dar. Aber 1947 war dergleichen noch unerhört, zumal wenn man in Rechnung stellt, daß die für Europas Wiederaufbau reservierten Gelder fast das Fünffache dessen ausmachten, was Washington in den 60er und 70er Jahren für die gesamte Auslandshilfe aufbieten sollte. Wie um alle großen politischen Entscheidungen ranken sich auch um den Marshall-Plan Legenden, vorab die Rede, man habe es mit einem genial kalkulierten Schachzug zu tun. Zumindest mit Blick auf seine Entstehung war der Marshall-Plan aber alles andere als ein Geniestreich. Von Furcht diktiert, überhastet konzipiert und in einer Atmosphäre der Panik geboren, wäre eine angemessenere Umschreibung. Wenn man die Memoranden von Handelsminister W. Averell Harriman, von Herbert Hoover, damals Sonderberater des Präsidenten, und vom Chefaußenpolitiker der Republikanischen Partei, John Foster Dulles, liest, dann waren diese Architekten des "European Recovery Program" von Zweifeln am politischen Durchsetzungsvermögen ihres Landes nicht minder geplagt wie von der Vorstellung, der militärische Sieg würde wie nach dem Ersten Weltkrieg im Gestrüpp europäischer Interessen verspielt. Die Souveränität von Politikern, die im Namen einer Weltmacht agieren, war nicht zu spüren. Sie wirkten wie Getriebene, die um ihre letzte Chance bangten. Dies war wohl einer der Gründe, warum Marshalls Rede seinerzeit in London und Paris auf wenig Begeisterung stieß. Mochten die Politiker sich an die Usancen diplomatischer Höflichkeit halten, die Wirtschaftsredakteure der großen Zeitungen nahmen kein Blatt vor den Mund. Was die Amerikaner täten, so hieß es, sei "dancing in the dark", kopflos, überstürzt und dazu angetan, in Europa eher mit Pfiffen denn mit Beifall aufgenommen zu werden. "Die Erinnerung an die Nazis ist in Europa", schrieb der Londoner "Economist", "noch nicht so verblaßt, wie das vielleicht jenseits des Atlantik der Fall ist Wenn hinter (der Einheit Europas) die Möglichkeit lauert, daß ein wiederbelebtes Deutschland in der Zukunft Europa beherrscht, dann ist der Plan zum Scheitern verurteilt, noch bevor er geboren ist." Wenn schon ein Marshall-Plan, dann sollte hauptsächlich den Opfern der Nazi-Okkupation geholfen werden, dann sollten die französischen Erzminen, die britischen Hochöfen und die belgischen Walzwerke allemal Vorrang gegenüber der Ruhr haben. Die Kritiker sahen sich bestätigt, als wenige Wochen nach Marshalls Rede in Harvard die neue amerikanische Besatzungsdirektive für Deutschland, "JCS 1 779" im militärischen Kürzel, bekannt wurde. Sie las sich nämlich wie ein Werben um die Gunst der Deutschen. Das Thema Entnazifizierung wurde in drei Zeilen abgehandelt, der Militärgouverneur sollte für einen baldigen Abschluß der Kriegsverbrecherprozesse sorgen und im übrigen die anhängigen Anträge zur Entflechtung großer deutscher Betriebe mit Nachsicht behandeln. Wachsweich auch die Passagen über eine Auflösung der Großbanken oder eine Requirierung der von den Nazis im Ausland gehorteten Geld- und Sachwerte. In anderen Worten: Die Militärregierung hatte alles unterlassen, was die Stimmung in Deutschland und mithin die Aussichten auf einen raschen wirtschaftlichen Wiederaufbau belastete. Fragte sich nur, wie man es fortan in Washington mit dem Kardinalproblem aller Außenpolitik nach 1945 hielt - der Frage nach der Sicherheit vor deutschem Begehren, erneut zu einer Weltmacht mit allen dazugehörigen Ambitionen aufsteigen zu wollen. Marshall hatte, was seine europäischen Kritiker erzürnte, in seiner Rede darauf nur beiläufige Gedanken verwendet. Doch konnte man an anderer Stelle die amerikanischen Überlegungen nachlesen. Aus ihnen wird deutlich, daß es für Marshalls Planer einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Neuordnung und militärischer Übermacht gab. Die europäischen Nachbarn sollten sich wegen rauchender Schlote an Rhein und Ruhr keine Sorgen um die künftige Sicherheit ihrer Grenzen machen. Washington würde, von seiner Atommacht ebenso geschützt wie ermutigt, der wirtschaftlichen Integration Europas alsbald ein Militärbündnis zur Seite stellen und auf diesem Wege gegen alle Eventualitäten vorbeugen - seien sie russischer oder deutscher Herkunft. So gesehen war es erst die Nato, die einen verläßlichen Rahmen für Marshalls Vision von einem starken Deutschland und wirtschaftlich geeinten Europa bot. Massive Bedenken Ob diese Rechnung freilich aufgehen würde, war selbst auf amerikanischer Seite umstritten. Gemessen an dem aus heutiger Perspektive offenkundigen Erfolg des Programms, ist es überraschend, wie massiv damals die Bedenken nicht nur von den Kritikern Marshalls, sondern auch von seinen Freunden zur Sprache gebracht wurden. So zweifelte General Lucius D. Clay, als Militärgouverneur mit deutschen Verhältnissen tagtäglich konfrontiert, wiederholt daran, ob die Deutschen zur Demokratie überhaupt willens oder fähig seien. Allzu deprimierend klangen nämlich die in seinem Auftrag durchgeführten Meinungsumfragen, bei denen sich wiederholt eine Mehrheit der Interviewten zu den Idealen des Nationalsozialismus bekannte und lediglich bedauerte, daß eine gute Idee schlecht umgesetzt worden sei. Wobei sie den rassistischen und antisemitischen Wahn der Nazis keineswegs auf der schlechten Seite verbuchten. Wenig ermunternd waren auch die anfänglichen Reaktionen deutscher Industrieller, die in einer Öffnung zum Weltmarkt oder der gesetzlichen Absicherung freier Konkurrenz ein unmoralisches Begehren der Amerikaner sahen. Doch hatten die Marshall-Planer ein untrügliches Gespür für den richtigen Zeitpunkt symbolischer Politik. Und nicht minder das Geschick, diese Politik erfolgsträchtig zu inszenieren. Niemals zuvor und selten danach wurde um einer außenpolitischen Entscheidung willen so die Werbetrommel gerührt. Averell Harriman dirigierte eine "konzertierte Aktion" aus Industriellen, Gewerkschaftern und Akademikern, sorgte dafür, daß ganzseitige Anzeigen in den großen Tageszeitungen erschienen und Zehntausende von Schreiben an "opinion leaders" verschickt wurden. Der Vorstandsvorsitzende eines multinationalen Unternehmens wurde ebenso bedacht wie der Leiter einer Zwergschule in Iowa. Harriman brach zu einer "Goodwill-Tour" nach Deutschland auf, wo er seinen Gastgebern versicherte, daß alsbald auch die letzten Stolpersteine des Potsdamer Abkommens aus dem Weg geräumt würden. So veränderte, noch bevor der erste Dollar ausgezahlt wurde, der Marshall-Plan die politische Landschaft in Deutschland.Die wenigen Linksliberalen, die in der amerikanischen Militärregierung ausgeharrt und die Hoffnung auf eine Reform der deutschen Gesellschaft an Haupt und Gliedern noch nicht aufgegeben hatten, warfen im Sommer 1947 resigniert das Handtuch oder wurden auf Betreiben Harrimans zwangsweise in ihre Heimat versetzt - darunter fast die gesamte Belegschaft der Entflechtungsabteilung, die sich um ein Verbot wettbewerbsfeindlicher Markt- und Preisabsprachen ebenso hatte kümmern sollen wie um eine Auflösung der durc h ihre diktatorischen Praktiken bekannten Großunternehmen. Und auf deutschen Litfaßsäulen wurden die ersten Plakate im Geist der neuen Zeit geklebt: "Achtung Bauarbeiten. Es geht vorwärts durch den Marshall-Plan." Die "Mitläufer" In der Tat verging nun fast kein Tag mehr ohne die ermutigende Nachricht, daß man tatsächlich noch einmal davongekommen war. Am 3. Oktober 1947 segnete die Militärregierung eine Revision des Entnazifizierungsgesetzes ab. Wie von deutscher Seite gewünscht, wurden aus dem Kreis ursprünglich als "belastet", "schwer belastet" oder "nicht verwendbar" eingestuften Personen mehr als 80 Prozent gestrichen. Ein halbes Jahr später fiel auch noch die letzte Hürde: Mitglieder der in den Nürnberger Prozessen als "kriminell" eingestuften Organisationen durften ebenfalls als "Mitläufer" geführt werden. 46 000 Fälle wurden allein im Oktober 1947 zu den Akten gelegt, und von den 177 000 Personen, die sich bis zum Jahresende hätten verantworten sollen, wurden 100 000 amnestiert. Damit stand auch dem "Comeback" der alten Eliten nichts mehr im Wege. Im Juli 1948 hatten 85 Prozent jener Personen, die von den Westmächten ursprünglich aus leitenden Stellungen entlassen worden waren, ihre alten Positionen wieder eingenommen. Gerade die Spitzen der Verwaltung und der Wirtschaft zeigten sich gegen eine Entnazifizierung immun. So wurde am Ende Punkt für Punkt dessen eingelöst, was Marshalls "Think Tank" seit Ende 1946 gefordert hatte. In Washington wußte man um die Gefahren dieser Politik. Experten des Außenministeriums befürchteten, daß der zu erwartende Aufschwung nicht amerikanischer Hilfe und schon gar nicht deutschen Demokraten, sondern den rehabilitierten Nazis und ihrer Gefolgschaft zugeschrieben würde. Was Lucius D. Clay nur bestätigen konnte: "Mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland", meinte er am 4. Februar 1948 in Paris, "wird wahrscheinlich der Revanchegeist der Deutschen verstärkt aufleben, und sie werden dann noch eingehender überwacht werden müssen." Noch ehe die Bundesrepublik am 8. Mai 1949 gegründet wurde, lösten die Amerikaner ihr Versprechen an die europäischen Nachbarn Deutschlands ein und hoben die Nato aus der Taufe. Ein Angriff auf eines der Mitglieder würde als Angriff gegen alle gewertet und von allen zurückgeschlagen. Gegen diesen Vertrag würden die Westdeutschen nicht anrennen können. Und nicht anrennen wollen, wenn man sie dereinst mit eigenen Streitkräften und eigenem Generalstab in das Bündnis aufnahm. Entsprechende Vorbereitungen waren bereits im Gange, mit dem Segen Marshalls, der vor seiner Zeit als Außenminister Stabschef der amerikanischen Armee gewesen war. Was der Marshall-Plan rein wirtschaftlich für den Aufstieg der Bundesrepublik bewirkt hat, ist bis heute umstritten. Zwar gab es für die Zeitgenossen keinen Zweifel an den segensreichen Wirkungen: Erst als die Gelder aus Washington flossen, kamen auch mehr Lebensmittel ins Land, erst danach spürten Millionen die alltäglichen Erleichterungen infolge einer wirtschaftlichen Erholung, konnten die Menschen gewiß sein, daß der Aufschwung nicht wie ein Strohfeuer verpfuffen würde. Heute allerdings wissen wir, daß die Wirtschaft der Bizone gut zwölf Monate vor Überweisung der ersten Dollar wieder Tritt gefaßt hatte. Einige Wirtschaftswissenschaftler behaupten sogar, daß Westeuropa (von Frankreich und den Niederlanden abgesehen) sich aus eigener Kraft hätte regenerieren können - auch Deutschland, wo die wichtigsten Industrieanlagen den Krieg unbeschadet überstanden hatten und ein erheblicher Vorrat an Rohstoffen und Kapital gehortet worden war. Andererseits sollte man die vom Marshall-Plan freigesetzten wirtschaftlichen Impulse auch nicht zu gering veranschlagen. Beispiel Textilindustrie: Es erscheint zweifelhaft, ob diese Schlüsselbranche der damaligen Wirtschaft ohne die umfangreichen, mit amerikanischen Krediten finanzierten Baumwollimporte der Jahre 1948 und 1949 so schnell wieder in Gang gekommen wäre. Ähnliches gilt für die öffentlichen Stromerzeuger, die erst nach einer Bezuschußung von 729 Millionen Mark liquide genug waren, um ihre Kapazitäten auszubauen. Wären diese Investitionen unterblieben oder verzögert worden, hätten industrielle wie private Abnehmer wesentlich weniger Energie nutzen können oder höhere Preise zahlen müssen, beides zum Schaden der gesamten Wirtschaft. Schließlich und endlich wurden im Gefolge des Marshall-Plans die Reparationslasten drastisch gesenkt. Bis Ende 1951 zahlten die Amerikaner zu diesem Zweck 3,104 Milliarden Dollar an Frankreich, eine Geldspritze, die es den Franzosen erlaubte, ihre Forderungen an Deutschland zurückzunehmen. Aufgrund solcher und ähnlicher Beispiele läßt sich folgern, daß der Marshall-Plan die Bedingungen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau, für das "Wirtschaftswunder" der 50er Jahre, entscheidend verbesserte. Gewiß wurde der Aufschwung hauptsächlich mit vorhandenen Mitteln bestritten. Aber erst der aus Washington kommende Anstoß schuf die Bedingungen, dieses Potential auch tatsächlich zu nutzen. In anderen Worten: Gab den Deutschen die Chance, sich erfolgreich selbst zu helfen, und den wirtschaftlichen Akteuren das nötige Vertrauen in die Stabilität ihres politischen Umfeldes. Ohne diesen psychologischen Rückhalt, ohne diese optimistische Beurteilung der Zukunft läßt sich keine Wirtschaft auf Dauer stabilisieren - auch dafür hat die Geschichte hinreichend Fälle parat. Stoff für Mythen So interessant der Streit der Ökonomen über kurzfristige Impulse oder langfristige Wirkungen des Marshall-Plans auch sein mag - aus der Sicht des Historikers, der die gesamte Nachkriegsentwicklung im Blick hat, ist dergleichen eher von nachgeordneter Bedeutung. Was immer nämlich die Dollarmillionen tatsächlich im wirtschaftlichen Alltag bewirkt haben mögen, verblaßt gegenüber der psychologischen Wirkung des Programms. Der Stoff, aus dem Mythen gewirkt sind, läßt sich nicht in Mark und Pfennig berechnen. Darum ist der symbolische Wert jener in die Zehntausende gehenden Häuser, über deren Eingang noch heute Schilder mit der Inschrift "Erbaut mit Mitteln des Marshall-Plans" angebracht sind, mit Gold nicht aufzuwiegen. Unter dem Strich bleibt also eine zwiespältige Bilanz: Einerseits der Marshall-Plan als Symbol der Vergebung, das im kollektiven Gedächtnis der Deutschen bald als Lizenz zum Vergessen gedeutet wurde. Und andererseits der Umstand, daß der Marshall-Plan wie keine andere politische Entscheidung den emotionalen Kitt für die Westbindung bereitstellte. Je komplexer heutzutage die Herausforderungen für die neue Bundesrepublik werden und je lauter sich Neokonservative mit ihrer Fundamentalkritik am "westlichen Sonderweg" zu Wort melden, um so gnädiger erscheint uns das Licht der Geschichte über George Marshall und seinen Mitstreitern. Zumal es eine Entscheidung verklärt, deren Konsequenzen damals weder planbar noch vorhersehbar waren. Dr. Bernd Greiner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Die Morgenthau-Legende. Zur Geschichte eines umstrittenen Plans". Hamburger Edition, 1995 +++
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