Business statt Ballermann
Seminare, Tagungen und Workshops - billige Anreise und nette Hotels machen Mallorca zum Mekka für Geschäftsreisende.
Auf dem Flughafen von Palma de Mallorca landen jährlich rund acht Millionen Touristen. Neben den Urlaubern in kurzen Freizeithosen und bunten T-Shirts warten an den Gepäckbändern aber immer öfter auch Damen und Herren in eleganten Kostümen und Anzügen: Viele von ihnen kommen auf die Baleareninsel, um hier an Seminaren, Workshops, Aufsichtsrats- oder Vorstandssitzungen teilzunehmen. Der Deutschen liebste Ferieninsel entwickelt sich zunehmend zu Europas Meeting-Point Nummer eins.
Der Düsseldorfer Führungskräfte-Coach Bernd Scherer, früherer »Directeur Clientel« bei L›Oréal Europa, weiß die Vorteile für Seminare auf der Mittelmeerinsel zu schätzen: »Nach zwei Stunden Flug findet sich der Topmanager in warmer Bergluft und Stille wieder. Dort sind deutlich bessere und nachhaltigere Ergebnisse möglich als an gewöhnlichen Tagungsorten.« Dieser Ansicht ist auch Bernd Marenbach, Kommunikationstrainer von Public Opinion Partner aus Königswinter: »In einer neuen, angenehmen Umgebung ist der Teilnehmer aufgeschlossen, lernt leichter und behält das Aufgenommene länger, weil er es mit einem besonderen Erlebnis verbindet.«
Weg vom Alltag
Ob Weiterbildungsmaßnahmen erfolgreich oder weniger erfolgreich sind, hängt eben nicht nur von den Inhalten ab. Für den Erfolg von Seminaren ist es wichtig, dass die Teilnehmer sich völlig von ihren Alltagsthemen entfernen. »Das geht am besten an Orten, die ebenfalls nichts mit dem Alltag zu tun haben, an denen man normalerweise Urlaub macht«, sagt auch eine Expertin für Personalcoaching, Angela Heise, die ihre Seminare gerne in Feriendestinationen abhält.
Mallorca, Mitte Juni 2002. Sóller an der Nordwestküste. Im Seminarhaus Ca›n Níspero unweit des Marktplatzes der kleinen Stadt diskutieren Manager, Direktoren, Vorstände und Geschäftsführer über ihre künftige Unternehmensstrategie. Es ist die Beiratssitzung der Frankfurter Firma Autoteile Trumpp, die zur Osnabrücker Wessels + Müller AG gehört. Mittags und abends kreiert Chefkoch Helmut Helwig, bis vor einem Jahr Chef de Cuisine im Hamburger Hotel Intercontinental, kulinarische Leckereien.
»Einfach kreativer«
Die Beiräte tagen erstmals auf der Baleareninsel. »Aber nicht zum letzten Mal«, sagt Hans-Heiner Müller, Aufsichtsratsmitglied bei Wessels + Müller. Er und seine Beiratskollegen sind vom Ca›n Níspero begeistert. »Die Kombination aus dem ruhigen Konferenzhaus, der tollen Küche und der mallorquinischen Landschaft ist einmalig.« Die ungewöhnliche Tagungsatmosphäre setze neue Kräfte frei: »Hier ist man einfach kreativer.« Das Konzept des kleinen Hotels Ca‹n Níspero nennt sich Private Conferencing: Es nimmt immer nur ein Gruppe auf, die dann ungestört tagen kann. »Der Output war dadurch höher, als wenn wir in einem Hotel in Hamburg oder Hannover getagt hätten«, sagt Beiratsmitglied Winfried Hiebl.
Trumpp-Beirat Hans-Heiner Müller hat ein weiteres - gerade in wirtschaftlich schlechteren Zeiten aktuelles - Argument für den Meeting-Point im Mittelmeer: »Es ist preiswerter, zwei Tage auf Mallorca zu tagen als in Deutschland.« Das beginnt bei der Anreise: Für weniger als 100 Euro fliegen mehrmals täglich von allen deutschen Großstädten aus Chartermaschinen Richtung Palma, meist sind Oneway-Tickets um diesen Preis erhältlich. »Hamburg-Stuttgart hin und zurück kostet mich in der Economy-Class um einiges mehr«, sagt Müller.
Preisvorteil für Mallorca
Mallorca ist von allen europäischen Großstädten aus günstig und schnell zu erreichen. »Dieser Vorteil ist für Führungskräfte in ganz Europa ein wichtiges Argument, sich auf der Insel zu verabreden«, hat Anke Gottschalk registriert, die im schweizerischen Ascona die Trainingsfirma Human Motion leitet und Manager-Seminare mit dem Thema »Work and Life Balance« auf Segelbooten im Mittelmeer anbietet.
Auch die Tagungsräume sind günstiger: Für 100 bis 400 Euro pro Tag und Person finden sich Dutzende gut ausgestatteter Locations - vom Kloster in den Bergen bis Stadtpalais in Palma. Das Seminarhaus in Sóller beispielsweise verlangt 120 Euro pro Person, leichtes Zwei-Gänge-Mittagsmenü und Getränke inklusive. »Für ein Tagungswochenende in Deutschland werden oft wesentlich mehr Spesen aufgewendet«, sagt Christine Wolf, geschäftsführende Gesellschafterin des Hamburger Seminarveranstalters Alta Media.
So mausert sich das balearische Eiland immer mehr zur Tagungshochburg: In den vergangenen Monaten schulte Mercedes-Benz an der Ostküste Verkäufer, Kienbaum Management Consultants trainierte an der Westküste Manager von Großbanken, Führungskräfte der britischen Companies Lilly Pharma und Virgian Group, der spanischen Farmacia, der italienischen Fiat-Gruppe und der finnischen Nokia tagten auf der Insel.
Weniger Touristen, mehr Manager
Die Zahlen belegen den Trend: Während die Tourismusbranche über rückläufige Buchungen klagt, verzeichnen die Seminar- und Kongresshäuser Zuwachsraten »von zehn bis 15 Prozent«, so die Organisation Mallorca Convention Bureau. Der Regierung in Palma sind die Business-Gäste willkommen: Ein Sommerurlauber gibt im Schnitt 42 Euro am Tag aus, ein Geschäftsreisender lässt täglich 270 Euro auf der Insel.
Für den Tourismus bieten sich neue Aufgabenbereiche. Brigitte Förster, Geschäftsführerin des balearischen Verbandes für Agrotourismus, bewirbt die Exklusivität einer kleineren Location: »Man hat das Haus ganz für sich allein, kann im Grunde machen, was man will, ohne dass sich andere Gäste gestört fühlen könnten.« Während idyllisch gelegene mallorquinische Fincas und kleine Villen für Gruppen von bis zu maximal 20 Teilnehmer geeignet sind, finden größere Gruppen meist nur in Mammuthotels geeignete Räume. Ein Beispiel: das Ofra Resort Hotel in Portals Nous. Im Event-Bereich gibt es vier Säle für bis zu 180 Personen mit Blick auf Pool und Golfplatz. Raummiete pro Tag: ab 240 Euro. BMW führte hier Seminare durch, Olympus, Henkel und die Deutsche Bank.
Doch für noch größere Gruppen fehlt eine moderne Location. Das Auditorium in Palma und das Pueblo Espanol sind häufig ausgebucht und die technischen Ausstattungen veraltet. Seminarveranstalter fordern schon lange den Bau einer Kongresshalle. Zwar gibt es seit einigen Monaten zumindest ein Projekt. Am Oststrand Palmas soll ein Kongresszentrum für mehrere tausend Teilnehmer entstehen. Doch das balearische Tourismusministerium hat noch keinen privaten Investor gefunden.
Übrigens: Der beliebte Job-over-holiday, also zwei, drei Tage Seminar und danach ein paar Tage Urlaub auf Firmenkosten, ist nicht unproblematisch. Die Steuerbeamten von Finanzminister Hans Eichel sind gehalten, den Zweck von Geschäftsreisen nach Mallorca - und anderswohin - genau zu prüfen. Die private Radtour durchs Tramuntana-Gebirge oder der Segeltörn um die Insel im Anschluss an eine Tagung muss daher selbstverständlich aus der privaten Tasche bezahlt werden - sonst kann es passieren, dass das Finanzamt sämtliche Kosten, auch die für das Seminar, nicht anerkennt.
Anreise
Charterlinien fliegen mehrmals täglich von Deutschland nach Palma de Mallorca. Der Preis ist oft günstiger als so mancher Inlandstarif.
Private Conferencing
Für Seminare in Kleingruppen sind Fincas oder kleine Hotels mit privater Atmosphäre besonders geeignet. Gerade beim Coaching ist die Abgeschiedenheit von Vorteil. Das »Ca›n Níspero« in Sóller kann man komplett mieten.
Seminarhotels
Mallorca richtet seine Infrastruktur nach der neuen Zielgruppe aus: Das Ofra Resort Hotel bietet große Konferenzsäle - und einen Golfplatz.
Von Jürgen Hoffmann
www.Stern.de 25 juli 2002